BELARUS NEWS AND ANALYSIS

DATE:

13/07/2009

Weisrussland: Europas letzter Diktator auf Geldsuche

REGINA POLL (Die Presse)

Im Streit mit Moskau wendet sich Minsk starker in Richtung Westen. Die EU hat wirtschaftliche Interessen in der Region, halt Hilfszahlungen aber bewusst klein.

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Minsk. Der Anhanger baumelt locker an ihrem Goldkettchen. Ihre Finger schlie?en sich eng um ihn. Die Musikstudentin ist nervos: "Gibt es hier irgendwo eine Kamera?", fragt sie und blickt sich rasch um. "Nein", hort sie. Dann sagt sie, was sie auch vor einer Kamera gesagt hatte: "Lukaschenko ist in Ordnung. Nicht so schlecht, wie er von au?en gesehen wird."

Uberzeugend klingt die junge Frau nicht. Sie steht vor der Musikhochschule in Minsk. Und "ihr" Prasident, Alexander Lukaschenko, in undemokratischen Wahlen zum Staatsoberhaupt gewahlt, gilt im Westen als "Europas letzter Diktator".

Um Lukaschenko zu sturzen, brauchte es eine starke Opposition, sagt Vitali Silitski, Direktor des Wei?russischen Instituts fur Strategische Studien (Biss). Doch die aktuellen Gegenbewegungen seien eher zahnlos. "Wie konnte es auch anders sein, bei der mangelnden Information der Offentlichkeit uber das, was wirklich im Land geschieht?", sagt er. Zuverlassige Budgetzahlen oder Statistiken gebe es nicht. Offiziell hei?t es zum Beispiel, dass rund ein Prozent der Erwerbsfahigen unter den zehn Millionen Wei?russen arbeitslos sei. Das "Biss" vermutet hingegen, dass es funf bis sechs Prozent sind - und noch mehr werden, sobald viele Exil-Wei?russen aus Russland heimkehren, weil ihnen die Finanz- und Wirtschaftskrise ihren Job geraubt hat.

"Zwischen zwei Monstern"

Jetzt hat sich Lukaschenko, der Stratege, an Europa angenahert, wenigstens ein bisschen, und EU-Au?enkommissarin Benita Ferrero-Waldner nach Minsk eingeladen. Fur eine engere Zusammenarbeit fordert sie Reformen. Warum streckt der Prasident seine Hand in Richtung EU aus, die laufend auf Demokratie pocht? "Wir befinden uns zwischen zwei Monstern, der EU und Russland", so beschrieb er die Situation beim Treffen mit Ferrero-Waldner.

Russland hat Wei?russland, die fruhere sowjetische Teilrepublik, offenbar einmal zu oft verargert. Zuletzt gab es Hemmnisse im Milchhandel, und gunstige Energielieferungen werden immer unzuverlassiger. So wie die finanzielle Hilfe aus Moskau, die es uberhaupt erst moglich gemacht hat, dass sich Minsk, die Hauptstadt, dem Besucher heute sauber und ordentlich prasentiert - wenigstens auf den ersten Blick.

Wer durch die Stra?en der Stadt mit ihren 1,8 Millionen Einwohnern geht, sieht gepflegte Hauser. Ohne Charme zwar, aber auch ohne Baumangel. Plattenbauten haben hier langst nicht ausgedient. Wer die Sowjetunion verschlafen hat - in Minsk kann er sich noch ein Bild davon machen. Und sogar auf Sowjet-Fans treffen: "Im Herzen bin ich Anhangerin der Sowjetunion", sagt eine Frau, die Erfahrung im Gesundheitsbereich gesammelt hat. Das System funktioniere heute nicht mehr so gut wie fruher, in der guten alten Zeit.

Was will Wei?russland von der EU? Geld ist in dem Land gerade sehr willkommen, nachdem Russland sich merklich zuruckgezogen hat - wegen der Krise, aber auch, weil Lukaschenko zu wenig Solidaritat mit Moskau im Georgien-Konflikt gezeigt habe.

Ferrero-Waldner brachte Lukaschenko zehn Mio. Euro Fordergeld aus den EU-Topfen mit, zur Modernisierung des Landes, fur Einzelprojekte. EU-Insider berichten allerdings, dass die EU ihre Betrage fur Wei?russland bewusst klein halte. Immerhin sei das Land eine Diktatur. Mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und der Ukraine pflegt man hingegen auch finanziell bessere Beziehungen. Die funf Lander sind auch Bestandteil der europaischen Nachbarschaftspolitik, die mehr wirtschaftlichen Austausch bringt. Wei?russland muss noch warten.

Distanz zu EU und Russland

Das strategische Interesse der Union an der Region ist freilich gro?, Stichwort Handel, Stichwort Energielieferungen aus dem Osten. "Zu nah will er der EU aber gar nicht kommen", sagt Biss-Direktor Silitski uber Lukaschenko. Der Prasident wolle sich namlich sowohl zu Russland als auch zur EU Distanz bewahren.

"Wir sind souveran, eigenstandig und unabhangig, wir lassen uns da nicht dreinreden", so lautete Lukaschenkos Botschaft an Ferrero-Waldner. Und, in einer Art Doppelstrategie: "Ich kann auch ganz gut mit der EU, nicht nur mit Russland", so lautet seine Botschaft an Moskau, das es sich mit seinem bisherigen Verbundeten Minsk nur ja nicht verscherzen solle.

Source:

http://diepresse.com/home/wirtschaft/eastconomist/491824/index.do?from=suche.intern.portal

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